Radosław Lis

Uniwersytet Technologiczno-Humanistyczny im. Kazimierza Pułaskiego w Radomiu


Pathos und Superlative in der „Krakauer Zeitung“ als Mittel nationalsozialistischer Propaganda 1939–1945


Die „Krakauer Zeitung“ war ein im November 1939 von den nationalsozialisti- schen Besatzern im Generalgouvernement gegründetes Tagesblatt und war im ganzen Krakauer Distrikt zu erreichen1. Unter den Inhalten dominierte der Themenkomplex Krieg und Außenpolitik, wobei aber das Schwergewicht auf dem Kriegsgeschehen lag. Die „Krakauer Zeitung“ sorgte – wie alle anderen nationalsozialistischen Medien – auch für propagandistisch gefärbte aktuelle Nachrichten aus der ganzen Welt2.

Wie bereits oben erwähnt, wurden in der „Krakauer Zeitung“ vor allem die militärischen und außenpolitischen Ereignisse im Lichte der deutschen Führung und der deutschen Interessen dargestellt und kommentiert. Grundsätzlich galt nämlich für die nationalsozia- listischen Presseredakteure das Gebot, die Nachrichten so darzubieten, dass sie die Leser politisch ausrichteten. Dies geschah u. a. durch Überschriften und Hervorhebungen sowie durch weitere wertende Orientierungen mit Hilfe sorgfältig hinzugefügter Schlagworte3. Die „Krakauer Zeitung“, als ein Symbol der deutschen Kraft, war für die Pressegewalti- gen in Staat und Partei von außergewöhnlicher Wichtigkeit für die geistige Kriegführung4. Denn dem geschriebenen Wort in der Öffentlichkeit maß das NS-Regime große Bedeutung


1 L. Jockheck, Propaganda im Generalgouvernement. Die NS-Besatzungspresse für Deutsche und Polen 1939– 1945, Osnabrück 2006, S. 99.

2 R. Lis, Propaganda im Generalgouvernement. Die NS-Besatzungspresse in Polen 1939–1945, „Studien zur Deutschkunde“, Band LII, 2010, S. 549.

3 L. Jockheck, Propaganda…, op. cit., S. 166.

4 Ebd., S. 164; P. Kołtunowski, Charakterystyka hitlerowskiego dziennika Krakauer Zeitung, „Zeszyty Prasozna- wcze“, R. XXVIII, nr 2(112)/1987, S. 43.

bei. Die Sprache der „Krakauer Zeitung“ wurde nicht selten mit einem spezifischen Pathos aufgeladen, das viele als echt empfanden. Die Leser sollten ein überwältigendes Gefühl von Gemeinsamkeit und Stärke erfahren5.

Als eines der Beispiele soll hier das Modewort gigantisch erwähnt werden, das u. a. zur Charakterisierung der Einzigartigkeit des Nationalsozialismus verwendet wurde. Es trat in Verbindung mit Ausdrücken auf, die pathetisch die politischen Handlungen be- zeichneten, z. B. Wir sind, ganz gleich wo wir stehen, nur die kleinen Gestalter an seinem gigantischen Werk6. Selbst im letzten in der „Krakauer Zeitung“ erschienenen Leitartikel erinnerten die Besatzer an den seit dem frühen Mittelalter vom Reich geführten gigan- tischen Schicksalskampf7, sprachen darüber hinaus von den gigantischsten Schlachten der Weltgeschichte8 und vom gigantischen blutigen Weltkampf9.

Ein anderes Beispiel für verstärktes Pathos wären hier Wörter wie siegreich, hervor- ragend und gewaltig (z. B. Auch unsere Gabe soll dazu beitragen, dass wir den Krieg siegreich beenden10; Die hervorragende deutsche Wehrmacht [...] marschiert unter der persönlichen Führung Adolf Hitlers durch Belgien, Holland und Luxemburg11; Die gewaltige und haarscharf eingestellte Maschine der deutschen Organisation läuft12). Erwähnenswert wären auch solche Begriffe wie restlos, prächtig oder ewig (z. B. Wir können glücklich sein, zu wissen, dass diese Zukunft restlos uns gehört13; Er zeichnete dabei das Wunschbild einer zwar einfachen, aber durchaus gesunden volksdeutschen Bauernrasse, die prächtige Männergestalten, hübsche Mädel und zahlreiche Kinder aufweist14; Was Deutschland heute vollbringt, ist ein Ruhmesblatt der Nation für ewige Zeiten15). Darüber hinaus bediente man sich nicht selten solcher Ausdrücke wie Mission (Im Nationalsozialismus liegt die heiligste Mission des Deutschtums16; Dem deutschen Volkselement kommt für alle Zukunft die führende Mission in diesem Weichselraum zu17) oder großartig, historisch und riesig (z. B. Dieses großartige Resultat wird noch über- troffen durch die Eroberung des Gebiets18; die historisch hergeleitete deutsche Mission

im Weichselraum19; Die Freude über den Sieg im Land ist aber riesig20).


5 M. Kinne, J. Schwitalla, Sprache im Nationalsozialismus, Heidelberg 1994, S. 1.

6 Staatsakt. Dank an den Führer, in: KrZ, Nr. 253, 27. Oktober 1940, S. 1f.

7 Des Reiches ewiger Kampf, in: KrZ, Nr. 15, 17. Januar 1945, S. 1f.

8 Invasions-Infaltion. England vor dem Startschuss, in: KrZ, Nr. 124, 17. Mai 1944, S. 1f.

9 Neuer Realismus?, in: KrZ, Nr. 14, 16. Januar 1944, S. 1f.

10 Die Ankläger, in: KrZ, Nr. 93, 17. April 1943, S. 1f.

11 Die Welt blickt auf die Westfront, in: KrZ, Nr. 110, 12. Mai 1940, S. 1.

12 London Wortführer Moskaus, in: KrZ, Nr. 237, 13. September 1944, S. 2.

13 Niemand will das rote „Paradies“, in: KrZ, Nr. 80, 31. März 1944, S. 8.

14 Der Führer rief uns heim ins Reich, in: KrZ, Nr. 7, 10. Januar 1940, S. 3.

15 Die Partei der Quell unserer Energie. Dr. Ley und Generalleutnant v. Manteuffel vor Kriegsfreiwilligen, in: KrZ, Nr. 126, 19. Mai 1944, S. 1.

16 Der Stimmungsumschwung, in: KrZ, Nr. 186, 8. August 1942, S. 3.

17 Die deutsche Mission im Weichselraum, in: KrZ, Nr. 123, 26. Mai 1940, S. 6.

18 Aus der Flammenhölle war nichts mehr zu retten, in: KrZ, Nr. 71, 27. März 1940, S. 3.

19 Die deutsche Mission im Weichselraum, in: KrZ, Nr. 123, 26. Mai 1940, S. 6.

20 Das Gebot der Stunde: Höchster Kräfteeinsatz, in: KrZ, Nr. 217, 20. August 1944, S. 1.

Auch Erlöser (Hitler ist unser Erlöser, ist unsere Freiheit21) und Tausendjähriges Reich(Nach Erscheinen des Messias beginne das tausendjährige Reich, in dem ein neuer Himmel und eine neue Erde aufgehen22) erfuhren durch ihre Verwendung in quasireligiösen Kontexten eine pathetische Überhöhung.

Nicht nur Pathos, sondern auch der Superlativismus machte ein besonderes Kennzei- chen der Sprache des Dritten Reiches aus. Man hob damit die Größe einzelner Personen oder Personengruppen und deren Leistungen hervor. Mit der Flut von Superlativen und Elativen deckte die Diktatur das Volk mit besonderer Vorliebe zu. Diese Super- lativ-Manie verlangte unbedingte Anerkennung, beanspruchte Ausschließlichkeit und duldete keinen Widerspruch. Der Superlativ gab dem Urteil des Lesers bzw. des Hörers keine Chance, denn er war gewaltsam und entscheidend23.

Im Nationalsozialismus, also auch in der „Krakauer Zeitung“, war man hemmungslos in der Verwendung von Superlativen und adjektivischen Erhöhungen wie z. B. ewige Zeiten24, fanatische Entschlossenheit25, gigantischste Schlachten26, beste Soldaten27, die Einzigartigkeit des Nationalsozialismus28. In zahlreichen Presseartikeln findet man auch solche Ausdrücke wie großer Sieg29, großartige Besetzung30, hundertprozentige Soldaten31, radikale Regelung der Judenfrage32, das Blut der vielen tausend ermordeten deutschen Menschen33.

Sehr gerne berichteten auch die Propagandisten vom totalen Krieg34, unerhörten Blut- zoll35, modernsten Kampf36 und von der höchsten Kampfkraft37, sowie von den zahllosen blutigen Ausschreitungen38 gegen Kriegsgefangene aus den Reihen der Wehrmacht.

Superlative und adjektivische Erhöhungen hatten eine überzeugende Wirkung und beeinflussten automatisch die Einstellung zu den berührten Themen. Die national- sozialistische Propaganda hatte die Aufgabe, ganz extreme Gefühle zu wecken – Hass auf Gegner und Feinde, Stolz auf deutsche Nation, germanisches Blut, nordische Rasse


21 Aus fremden Redaktionen, in: KrZ, Nr. 186, 8. August 1942, S. 2.

22 Auf ein Wort, in: KrZ, Nr. 5, 7. Januar 1940, S. 2.

23 L. Mackensen, Verführung durch Sprache, München 1973, S. 221.

24 Die Partei der Quell unserer Energie. Dr. Ley und Generalleutnant v. Manteuffel vor Kriegsfreiwilligen, in: KrZ, Nr. 126, 19. Mai 1944, S. 1.

25 Die Gauleiter beim Reichsmarschall. Arbeitstagung unter Vorsitz Görings, in: KrZ, Nr. 186, 8. August 1942, S. 2.

26 Invasions-Infaltion. England vor dem Startschuss, in: KrZ, Nr. 124, 17. Mai 1944, S. 1f.

27 Rasche Folge der deutschen Schläge gegen die Sowjettruppen im Vorkaukasus, in: KrZ, Nr. 186, 8. August 1942, S. 1.

28 Das Londoner Stimmungsbarometer. Britische Zeitungen zur neuen Lage an der Ostfront, in: KrZ, Nr. 185, 7. August 1942, S. 1.

29 Parole: freiwillig, in: KrZ, Nr. 239, 15. September 1944, S. 6.

30 Der Bumerang, in: KrZ, Nr. 85, 12. April 1940, S. 1.

31 Theatercoup oder Realität?, in: KrZ, Nr. 4, 4. Januar 1945, S. 1f.

32 Die Judenfrage in Bulgarien, in: KrZ, Nr. 167, 17. Juli 1942, S. 1.

33 Wir sind der Hammer, in: KrZ, Nr. 15, 19. November 1939, S. 1f.

34 Abschied von Krakau, in: KrZ, Nr. 259, 1. November 1942, S. 6.

35 Jetzt über 58 000 Morde an Deutschen festgestellt, in: KrZ, Nr. 35, 11. Februar 1940, S. 1.

36 Rommel in der Normandie. Bewährungsprobe der Verteidigungsanlagen bestanden, in: KrZ, Nr. 124, 17. Mai 1944, S. 1.

37 Rommel in der Normandie. Bewährungsprobe der Verteidigungsanlagen bestanden, in: KrZ, Nr. 124, 17. Mai 1944, S. 1.

38 Die „Jüdische Weltpest“ in Tschenstochau, in: KrZ, Nr. 124, 17. Mai 1944, S. 8.

usw. Deswegen bediente sie sich oft zahlreicher Superlative – Superlative im rein gram- matischen Sinne, aber auch grammatisch nicht erkennbar entsprechender Substantive und adjektivischer Erhöhungen39. Diese, wie auch der Zahlengebrauch zeichnen sich auch durch ihre bewusste Böswilligkeit aus, denn sie gehen überall skrupellos auf Betrug und Betäubung aus40.

Dem Regime ging es in erster Linie darum, nationalsozialistische Stärke, Totalität und Überlegenheit auch im Pressewesen zu demonstrieren und die deutsche Herrschaft in Europa zu legitimieren41. Die Presse sollte ein steter und eindringlicher Mahner sein für jene, die einmal in die Gefahrgeraten sollten, weich zu werden und über die Nöte eines zu beherrschenden Volkes die Lebensnotwendigkeiten der eigenen Nation zu vergessen42. Ihre endgültige Aufgabe bestand darin, ein Spiegelbild des Lebens zu liefern, das nun im Zeichen der deutschen Führung zum Vorschein kommt43.

Es bleibt festzustellen, dass die deutschsprachige Presse des Generalgouvernements ein relativ vielfältiges publizistisches Angebot bereithielt. Ihre Redakteure beschränkten sich auf ganz bestimmte Themen, zu denen Kultur, Unterhaltung, Wirtschaft, Sport, vor allem aber Politik gehörten. Man darf jedoch nicht vergessen, dass sie letztlich aber ihrem Hauptzweck diente, in den besetzten Gebieten das fremdvölkische Element durch einen besonderen Sprachgebrauch wesentlich zu beeinflussen44.


Primärliteratur

Krakauer Zeitung (1939–1945) Zeitungsverlag Krakau-Warschau.


Sekundärliteratur

Jockheck L., Propaganda im Generalgouvernement. Die NS-Besatzungspresse für Deutsche und Polen 1939–1945, Osnabrück 2006.

Kinne M., Schwitalla J., Sprache im Nationalsozialismus, Heidelberg 1994. Klemperer V., LTI. Notizbuch eines Philologen, Berlin 1949.

Kołtunowski P., Charakterystyka hitlerowskiego dziennika Krakauer Zeitung, „Zeszyty Praso- znawcze“, R. XXVIII, nr 2(112)/1987.

Kołtunowski P., Strategia propagandy hitlerowskiej w Generalnym Gubernatorstwie na podstawie „Krakauer Zeitung” (1939–1945). Studium historyczno-filologiczne, Lublin 1990.


39 D. Kosińska, Die Sprache im Dienste der nationalsozialistischen Propaganda des Dritten Reiches, „Płockie Rozprawy Neofilologiczne”, Band I, 1991, S. 196.

40 V. Klemperer, LTI. Notizbuch eines Philologen, Berlin 1949, S. 214.

41 L. Jockheck, Propaganda…, op. cit., S. 112.

42 P. Kołtunowski, Charakterystyka…, op. cit., S. 43.

43 Ebd., S. 43.

44 P. Kołtunowski, Strategia propagandy hitlerowskiej w Generalnym Gubernatorstwie na podstawie „Krakauer Zeitung” (1939–1945). Studium historyczno-filologiczne, Lublin 1990, S. 15.

Kosińska D., Die Sprache im Dienste der nationalsozialistischen Propaganda des Dritten Reiches, „Płockie Rozprawy Neofilologiczne”, Band I, 1991.

Lis R., Propaganda im Generalgouvernement. Die NS-Besatzungspresse in Polen 1939–1945,

„Studien zur Deutschkunde“, Band LII, 2010.

Mackensen L., Verführung durch Sprache, München 1973.


Abstract

Pathos and superlatives in the “Krakauer Zeitung”

as a medium of Nazi propaganda 1939–1945

In the article, we analyse the language of Nazi propaganda in selected 1939–1945 issues of „Krakauer Zeitung”, the daily published in Cracow-based General Government (pol. Generalne Gubernatorstwo) and meant to be one of the most important instruments of the Nazi manipulation among the Polish population. Specifically, the attempts are made to identify and reconstruct some of the intended propaganda objectives behind selected linguistic expressions, with pathos and pride in focus.


Keywords: language of propaganda, manipulation, General Government, Goebbels